Sorgen. Frei.

Vielleicht sollte ich den LIN DEN HOF umbenennen. In SOR GEN FREI. So beschreibt sich mein Lebensgefühl in diesem Sommer am besten. Die Jahre des Umbaus waren mit Sorge um das Haus, um das Dunkle der Vergangenheit und um die Neueingliederung meiner Rolle vor Ort bestimmt. Das ist vorbei. Ich spüre das Gefühl, mit dem Hausbau auch den Blick in die Vergangenheit hinein abgeschlossen zu haben. Sie ist mir nun einsichtig und abgelegt, gelöst in einer angenehmen Weise. Warum sollte ich mich also noch darum kümmern. Auch ist allen um mir herum klar, was es mit dieser Rolle auf sich hat, die ich mit dem Haus und dem Garten dort übernommen, neu aufgebaut habe. Sie ist für sich eine Vergangenheit und ebenfalls nun gut. Sie ist kein Inhalt für sich. Sie ist ein Rahmenwerk. Als ich im vergangenen Jahr zu spüren begonnen habe, wie sehr mich die Freude bei der Ankunft erfasste, habe ich das auf die gelungene Aufarbeitung eines Kinderlebens in diesem Haus zurückgeführt. Aber nun, da ich wie zu einem Kraftort komme und ihn schon von weitem spüre, verstehe ich:

Ich lebe hier sorgenfrei. 

Den Alltag mit seiner Fürsorge (OK, ein wenig Heidegger muss hier sein) um das Werden hinter mir lassend weiss ich um einen grundgefüllten Kühlschrank, Bier und Wein im Keller, ich weiss dass vorgeheizt ist, wenn ich die Türe öffne, das Bett ist gemacht, der Garten schimmert nachts leicht mit seinen Solarlampen und ich schlafe tief. Ich komme mit einem Roller in der Nacht an, oder ich fahre mit Freuden vor, sehe die grüne Fassade und habe ein Gefühl, als ob mich nun nichts mehr belangen kann. Die Welt bleibt aussen vor, ich bin trotzdem durch eine digitale Nabelschnur mit meiner Familie verbunden, und das Dorf mit seinem schläfrigen Tempo umfängt mich. Politik und Firma sind weit weg, die drei grossen Ks (Krieg, Klima, Krankheit) treffen hier zuletzt ein. Das Euro Konto ist immer schön gefüllt, sollte ich morgens zum Bäcker wollen oder etwas Schönes zum Abendbrot einkaufen. Der Garten trägt durch den Sommer Früchte und Essbares. Ich ernte im Herbst Hopfen für den Winter. Die Grünen Nüsse reifen für Weihnachten im Glas, die geernteten Walnüsse liegen noch auf dem Tableau. Es kommt ein Anruf für eine Essenseinladung von der Familie. Oder ich gehe doch ins Nachbardorf, eine Pizza essen.

Der Sorge enthoben und mit kleinen Aufgaben versehen entsteht eine Leichtigkeit des Seins auf dem LIN DEN HOF. Ich scoote in der Abendsonne, zünde mir ein Feuer im Garten an, ich mähe die Wiese und schraube eine neue Lampe an die Wand. Ich male Metall an und koche für Freunde. Die Tage vergehen geschäftig faul in ihrem eigenen Zauber. Immer noch ein wenig unfassbar, wie sehr die Kindheit in einer guten Art immer wieder vorbeischaut und hallo sagt, immer noch glücklich über die Wendungen des Ganzen. Aber mehr, voller Freude, dass ich in einer Glückswolke hier alles sein lassen kann und deshalb auch alles mühelos möglich ist. 

Der LIN DEN HOF ist wie eine Belohnung für dreissig Jahre an Mühe und er ist der Spiegel dessen, was ich auch sonst tun und lassen könnte. Aber hier kommen die Möglichkeiten wie in einem Glücksbrennpunkt zusammen. Natürlich kann ich jederzeit Fünfe gerade sein lassen, ich kann jederzeit auf einen gefüllten Kühlschrank zurückgreifen, immer Freunde zum Essen einladen, immer den Scrooter nehmen. Aber nie so frei, weil das Allgäu eine weite Bühne ist und ein grosser leerer Wunderteppich, auf dem sich alles frei schwebend entfalten kann. Ich bin froh, dass ich dieses Spielzeug habe. Es ist für ernste Spiele gedacht. Und los. 

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